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„E-Invoicing: kein magisches Einhorn“

E-Rechnungsverordnung, ZUGFeRD 2.0, XRechnung – neue Vorgaben und Formate treiben das Thema eInvoicing weiter voran. Warum lohnt es sich für Unternehmen, digitale Rechnungen und Invoice-Prozesse einzuführen? Welche Stolpersteine müssen sie dabei beachten? Im SER-Webinar Special diskutierten ECM Evangelist Stephan Kizina und Revisions-Experte Holger Klindtworth, welche Chancen und Herausforderungen die E-Rechnung bietet. Die interessantesten Punkte haben wir für Sie zusammengefasst.

Kizina: Papierrechnungen sind ein echter Kosten- und Zeitfresser. Im Schnitt müssen Unternehmen 13 bis 18 Euro aufwenden, um eine Papierrechnung zu verarbeiten. Umständliche und langwierige Freigabeprozesse kommen noch hinzu. Genau an diesen Punkten setzt die E-Rechnung an. Wie sieht es mit der Akzeptanz tatsächlich aus?

Klindtworth: Ich sehe im Moment eine deutliche Steigerung der Anfragen zu den Themen E-Rechnung und Einführung von Workflow-Lösungen. Da scheint tatsächlich der Druck am Markt angekommen zu sein. Das resultiert natürlich auch aus der neuen E-Rechnungsverordnung. Spätestens ab April 2019 werden alle zentralen öffentlichen Auftraggeber nur noch E-Rechnungen akzeptieren. Jeder, der mit ihnen Geschäfte machen will, muss E-Rechnung versenden können. Und wer sie einmal hat, wird sie für alle Bereiche nutzen wollen. Am Ende des Tages will ja keiner mehr Papier und den ganzen manuellen Aufwand.

Kizina: Definitiv. Welche Konsequenzen hat die Umsetzung der Regelung zur E-Rechnung für die Unternehmen konkret? Was muss man tun?

Klindtworth: Fangen wir mit den positiven Konsequenzen an: Die elektronische Rechnung ermöglicht die Vereinheitlichung der Rechnungseingangswege. E-Rechnungen, gescannte Papierrechnungen, der EDI-Prozessstrom: Das kann man alles in einem Prozess zusammenführen und dadurch Prozesse massiv verschlanken. Wichtig dabei ist, dass man nicht für jeden Rechnungseingangskanal einen eigenen Prozess aufmacht, sondern das Ganze entsprechend bündelt. Das bedeutet für Unternehmen viel Optimierungspotenzial. Ich denke da an das Beleg-Vagabundieren: Irgendwer muss eine Rechnung freigeben, die irgendwo auf einem Schreibtisch im Unternehmen liegt … Das alles im Griff zu behalten und sicherzustellen, dass es sauber und schnell durch die Prozesse läuft, ist eine echte Herausforderung. Das kann in elektronischer Form und über einen gestützten Rechnungs-Workflow nur besser werden. Das heißt natürlich auch, dass ich meine IT über interne Kontrollsysteme im Griff behalte und Überwachungen von Systemen einrichte. Das Thema ist nicht neu und nicht magisch. Es ist Stand der Technik. Aber es nimmt in den Unternehmen inzwischen einen sehr, sehr großen Raum ein.

Kizina: Und was ist mit elektronischer Signatur und EDI? Werden die jetzt überflüssig?

Klindtworth: EDI wird es weiterhin geben, weil es die richtige Lösung für Massendatenverarbeitung ist. Das Thema qualifizierte digitale Signatur spielt eigentliche keine wesentliche Rolle mehr. Der Prozess dahinter und auch die Kosten sind deutlich zu hoch, um mehrstufige Prozesse aufzusetzen. Ich bin der Meinung, dass die qualifizierte digitale Signatur am Ende ist.

Kizina: Mit einer elektronischen Rechnung habe ich auch die Möglichkeit zur elektronischen Rechnungsverarbeitung. Welche Vorteile bringt das?

Klindtworth: Ganz klar: Ein hoher Automatisierungs- und Standardisierungsgrad. Es ist ganz simpel: Sie verschicken als Unternehmen eine Rechnung. Die wird z.B. im XRechnungsformat übertragen, in einem anderen Unternehmen empfangen und dort automatisiert eingelesen. Damit haben Sie quasi keinen manuellen Aufwand. Sie können wirklich vollautomatisierte Prozesse aufsetzen. Damit dabei keine Fehler wegautomatisiert werden, brauchen Sie ein internes Kontrollsystem, ein IKS das Abweichungen automatisch überwacht. Das ermöglicht natürlich auch bessere Gesetzeskonformität.

Kizina: Ich habe aber den Schreiben des BMF entnommen, dass es keine Versagung des Vorsteuerabzugs gäbe, wenn Mängel bei den Kontrollverfahren auftauchen. Damit gäbe es keine Dokumentationspflichten und ich könnte mir das IKS sparen. Wie bewerten Sie das?

Klindtworth: Es stimmt, dass die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht verworfen wird, wenn ein internes Kontrollsystem nicht dokumentiert ist. Aber nehmen wir zum Beispiel den Fall einer verloren gegangenen Rechnung, weil Sie kein vernünftiges IKS hatten, um die Rechnungsaufbewahrung sicherzustellen. Wenn die Rechnung weg ist, werden Sie auch keine Vorsteuer für eine Eingangsrechnung ziehen können. Dadurch, dass eine Unregelmäßigkeit in der Rechnungsverarbeitung passiert ist, wird es auch entsprechende steuerliche Konsequenzen geben. Mindestens für den Einzelfall. Gehen Sie also davon aus, dass Sie nachweisen müssen, dass Sie ein internes Kontrollsystem haben. Und gehen Sie davon aus, dass das Risiko einer Steuerschätzung deutlich steigt, wenn der Abgleich der Leistungen mit der erhaltenen Rechnung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Um das Thema Dokumentation kommen Sie nicht herum.

Kizina: Trotzdem haben viele Unternehmen bis heute keine Dokumentation Ihres IKS. Sie haben noch nicht einmal Verfahrensdokumentation.

Klindtworth: Verfahrensdokumentation ist kein „nice to have“. Wenn der Steuerprüfer zu Ihnen ins Haus kommt, will er zuerst das buchhalterische Verfahren sehen. Darum brauchen Sie auf alle Fälle eine Verfahrensdokumentation auf einem Level, den ein Betriebsprüfer versteht. Sonst zahlen Sie Verzögerungsgeld. Den Ärger und die Kosten können Sie sich sparen.

Seit 2011 ist außerdem die Umsatzsteuernachschau das Mittel der Wahl. Das heißt, Prüfer können im Zweifel unangekündigt kommen und wollen dann sofort Daten haben. Da können Sie nicht sagen, wir brauchen noch drei Wochen, um sie bereitzustellen oder erst die Verfahrensdokumentation zu schreiben. Wenn die Daten nicht bereitstellbar sind, wird auch die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung infrage gestellt. Seien Sie also vorbereitet.

Kizina: Ich verstehe gar nicht, warum immer noch so viele Unternehmen vor dem Dokumentationsaufwand zurückschrecken Mit einem ECMwie Doxis kann sich ja nicht nur meine Prozesse rund um die Rechnungsverarbeitung abbilden. Ich kann damit auch meine Verfahrensdokumentation erstellen und die Dokumentation des IKS automatisch in sie überführen. Das ist dann im ECM alles zusammen sauber dokumentiert und archiviert.

Klindtworth: Ich halte das auch für keine neue Anforderung und auch keine, die ein Unternehmen überfordert. Was ich zunehmend wichtiger finde ist, dass ich mit digitalen Prozessen auch automatisiert einen Kreditor zur Rechnung zuordnen und abgleichen kann. Ich habe jetzt mehrfach von Fällen gehört, bei denen Rechnungen versendet und abgefangen wurden. Dann wurde die Bankverbindung auf der PDF-Rechnung geändert und an den finalen Endkunden weitergeleitet. Wenn der sie nicht mit dem Kreditoren-Stammsatz abgeglichen und nachgefragt hätte, warum sich die Bankverbindung geändert hat, wäre das nicht aufgefallen. Das IKS ist extrem wichtig, um sicherzustellen, dass alle Abläufe funktionieren.

Kizina: Gut, IKS und Verfahrensdokumentation sichern und belegen den korrekten Ablauf. Aber wie sorge ich dafür, dass meine Rechnungen tatsächlich formal richtig sind?

Klindtworth: Wir haben in Deutschland den Umsatzsteuer-Paragraph 14. Nach dem müssen 14 Datenfelder auf einer Rechnung sein. Ich kann jedem Unternehmen vor dem Hintergrund des Vorsteuerabzugs nur dringend raten, darauf zu achten, dass sie Rechnungen formal sehr sauber mit allen notwendigen Daten bekommen. Weil hier die Betriebsprüfung eben sehr schnell dazu neigt, den Vorsteuerabzug zu verweigern, wenn die Rechnung nicht ordnungsgemäß ist. Das kann sehr viel Geld kosten. Gleiches gilt natürlich für Ausgangsrechnungen: Ihre Kunden sind auch nicht sehr glücklich, wenn sie eine nicht abzugsfähige Rechnung von Ihnen erhalten.

Kizina: Wie die Rechnung auszusehen hat, regeln standardisierte Formate: ZUGFeRD, ZUGFeRD 2.0, XRechnung usw. Welche Erfahrung haben Sie damit gemacht?

Klindtworth: ZUGFeRD ist ein standardisiertes Datenformat, das allerdings rein aus Deutschland kommt. Wenn man mich vor zwei Jahren gefragt hätte, was ich davon halte, hätte ich gesagt, mangels der Internationalisierung hat das keine Zukunft. Denn wenn Sie Rechnungen aus dem Ausland bekommen, müssen Sie die mit anderen Formaten verarbeiten. EDI ist dagegen ein internationales, standardisiertes Format. Da hätte ich eher die Zukunft gesehen. Inzwischen haben wir durch die entsprechende EU-Richtlinie das Thema XRechnung, also eine Rechnung im XML-Format. Ich glaube, mit der ZUGFeRD 2.0-Version, die auch das X-Rechnungsformat abbilden kann, haben wir inzwischen tatsächlich einen Standardisierungsgrad erreicht, der funktionieren kann. Man darf auch nicht vergessen, dass öffentliche Verwaltungen bald nur noch XRechnung akzeptieren werden. Damit haben wir eine ganz klare Gruppe von Kunden und Lieferanten, die mit der XRechnung arbeiten. Insofern glaube ich, wird sich das Format durchsetzen.

Kizina: Zu den gesetzlichen Anforderungen zählt die ordnungsgemäße Aufbewahrung steuerrelevante Unterlagen. Welche Stolpersteine gibt es bei der Archivierung elektronischer Rechnungen?

Klindtworth: Wichtig ist, dass Sie keinen Medienbruch einbauen. Wenn Sie eine elektronische Rechnung bekommen ist das Ausdrucken und Ablegen in Papierform nicht gestattet, sondern Sie müssen den aktuellen Stand der elektronischen Rechnung auch elektronisch vorhalten. Das Thema Papier ist damit vom Tisch. Aber wir haben mit der EU-DSGVO jetzt natürlich auch sehr explizite Löschverpflichtungen nach Ablauf der entsprechenden Aufbewahrungsfristen. Meine klare Empfehlung ist tatsächlich eine professionelle Dokumentenmanagement-Lösung. Da gibt es Hersteller wie SER, die eine Software anbieten, die Verschlüsselung, Unveränderbarkeit, Integrität und Authentifizierung erlaubt. Das ist inzwischen das Mittel der Wahl für die elektronische Rechnung.

Kizina: Muss ich auch E-Mails aufbewahren, in denen ich eine elektronische Rechnung bekommen habe?

Klindtworth: Wenn Sie eine Rechnung wirklich nur im Anhang haben, hat die E-Mail eine reine Kuvert-Funktion. Und das Kuvert Ihrer Papier-Rechnung bewahren Sie ja auch nicht auf. Wenn allerdings in der E-Mail z.B. die Skontoregelung steht, dann ist sie wiederum aufbewahrungspflichtig. Bringen Sie also Ihre Lieferanten dazu, solche Informationen nicht in die E-Mail zu schreiben. Definieren Sie auch klar, wo die AGBs zu finden sind.

Kizina: Welche Handlungsempfehlung haben Sie abschließend für Unternehmen?

Klindtworth: Erstens: Haben Sie eine Verfahrensdokumentation. Zweitens: Sehen Sie zu, dass Sie nicht fünf getrennte Prozesse, für EDI, Papier, PDF usw. haben, sondern einen, der alles bündelt und der einem IKS, einer Rechnungsprüfungssystematik folgt. Das verschlankt die Prozesse. Am Ende des Tages ist die E-Rechnung kein magisches Einhorn, sie ist kein Zauberwerk. Sie ist schlichtweg Technik und Prozess und inzwischen völlig State-of-the-Art.

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